Als Hessin an der Wolga

klauser_bock-die_geliehene_heimat[fusion_builder_container hundred_percent=Die bewegende Lebensgeschichte einer mutigen Frau und Zeitzeugin – eingewoben in 250 Jahre Deutsche in Russland – ein Buch das fordert und fesselt, zum Nachdenken zwingt und lehrt. Daneben vermittelt es Hintergrundwissen zu den Wolgadeutschen und kann somit einen Beitrag zur Integration dieser Menschen leisten. Krieg und Not, die Suche nach dem Glück in einem fremden Land, Flucht und Vertreibung – heute so aktuell wie vor 250 Jahren.

Die heute 80-jährige Autorin nimmt den Leser mit auf eine bewegende Zeitreise durch ihr Leben und das ihrer Vorfahren. Gut recherchiert schildert sie den geschichtlichen Hintergrund der Deutschen in Russland. Sie beschreibt, wie ihre Vorfahren nach dem verheerenden Siebenjährigen Krieg, vor 250 Jahren den Verlockungen der Zarin Katharina II, einer Deutschen aus dem Hause Anhalt-Zerbst gefolgt sind und aus Hessen an die mittlere Wolga ausgewandert sind.

Aus einfachsten Anfängen entstanden dort durch Fleiß und Können der Siedler im Laufe mehrerer Generationen blühende Siedlungen mit Bauern, Handwerk und Handel. Zum Wendepunkt wird der Zweite Weltkrieg. Im Herbst 1941 lässt Stalin die Wolgadeutschen von einem auf den anderen Tag nach Sibirien deportieren. Alwina erlebt als Vierjährige den Abtransport in überfüllten Güterwaggons ins ferne Sibirien. Dorfgemeinschaften und Familien werden auseinander gerissen, Tausende gehen elend zugrunde oder verschwinden in Arbeitslagern im Ural, auch Alwinas Vater. In einer lebensfeindlichen Einöde müssen die Deportierten überleben – unter unsagbaren Leiden und Entbehrungen.

Die Autorin lädt uns ein in das Dorf ihrer Kindheit und lässt uns teilhaben an kindlicher Freude einerseits und dem täglichen Kampf ums nackte Überleben andererseits. Man spürt in jedem Satz, hier erzählt eine Zeitzeugin, authentisch und detailliert. Die Menschen haben Gesichter und Namen und so gelingt es der Autorin den Leser zum Teil dieser Schicksalsgemeinschaft werden zu lassen.

Mutig überwindet die junge Frau in der russischen Umwelt alle Widerstände und geht ihren, oft steinigen Weg von der Grundschullehrerin bis zur Promotion (Ihre Dissertation ist den deutschen Dialekten in Russland gewidmet) und zur Dozentin an der Universität Omsk.

Die Autorin schildert mit großer Transparenz ihr schicksalbeladenes Leben und das ihrer Familie. Sie lässt uns teilhaben an den sonnigen Tagen, der ersten Liebe, der Geburt ihrer Tochter und der Enkelkinder, genauso wie an Krankheit, Sucht und Elend, Tod und Verzweiflung.

Die Teilnahme an einem Kongress in Berlin sieht sie als Chance für einen Neubeginn in Freiheit. Die neue Heimat wird das „Universitätsstädtchen“ Tübingen, mit der „ihr vertrauten schwäbischen Mundart.“ Eine Busreise führt sie in die hessischen Dörfer ihrer Vorfahren. Den Tränen nahe hört sie die Menschen so sprechen wie die Mutter und Großmutter im fernen Sibirien.

Johannes Hochdorf

Bibliographie:

Alwina Klauser-Bock
Die geliehene Heimat
Fölbach
Taschenbuch, 463 Seiten
19,95€ [D] ISBN 978-3-934295-85-3

Die Autorin:

Dr. Alwina Klauser-Bock wurde 1937 in Krasny-Jar bei Kamenka in der UdSSR geboren. Sie ist Germanistin und Autorin. 1941 wurde sie als Vierjährige nach Sibirien deportiert. 1990 gelang ihr die Flucht in die BRD. In “Die geliehene Heimat” erzählt sie ihre eigene Geschichte.