ESC.PL_A4_300dpi_RGBWas früher die schwarzen Ritter waren, sind heute Drogenbosse. Finstere mächtige Gestalten, die Stoff für Mythen und Heldenepen liefern. Pablo Escobar kontrollierte am Höhepunkt seines Erfolges 80% des Weltmarktes für Kokain, prägte Politik und Leben in Kolumbien und war der siebtreichste Mann der Welt. Andrea di Stefano, der als erfahrener Schauspieler erstmals Regie führt, ließ sich vom „Padrone“ inspirieren und erzählt zugleich eine tragische Liebesgeschichte mit fulminantem Ende.

Nick kommt mit seinem Bruder aus Kanada nach Kolumbien um Surfunterricht zu geben. Hals über Kopf verliebt er sich in die schöne Maria. Spätestens nach der Hochzeit erkennt er, dass er nicht nur eine Frau geheiratet hat, sondern Teil ihrer Familie geworden ist, über der als unangefochtener Herrscher Pablo Escobar thront. Pablo erscheint zunächst umgänglich, herzlich, er begrüßt das neue Mitglied der Famile aufs freundlichste. Doch langsam erfährt Nick mehr darüber, mit wem er es zu tun hat. Pablo hat ein Vermögen durch den Kokainhandel angehäuft. Doch das einfache Volk, das Coca-Blätter als traditionelle Medizin betrachtet, verehrt ihn für sein soziales Engagement.

Während die politische Situation sich für Escobar zuspitzt und ein Krieg zwischen dem Clan und der Regierung beginnt,  gerät Nick immer tiefer in die Familienorganisation, die keine Gnade kennt und kein Leben außer dem eigenen achtet. Doch Nick spürt immer stärker, dass er kein Teil davon sein kann. Als Escobar ihm eine Pistole in die Hand drückt, beginnt für ihn die ultimative Prüfung und die Situation gerät völlig außer Kontrolle …

„Escobar – Paradise Lost“ ist ein Drama, eine Romanze und ein Actionfilm ohne Happy End. Dreh- und Angelpunkt ist das interessante Portrait Escobars, der mit Benicio del Toro perfekt besetzt ist. Egal ob der „Padrone“ mit seinen Kindern spielt, seiner Frau in großer Runde ein Liebeslied singt oder einen Mord in Auftrag gibt, selbst das bloße Nennen seines Namens strahlt Escobars Präsenz aus. Eines vielschichtigen Mannes, herzlich, familiär, mal verschwenderisch, mal bodenständig – aber oft schrecklich. Claudia Traisac überzeugt in ihrem Leinwanddebüt als Maria, die gutherzige lebensfrohe junge Frau, die die Augen verschließt, vor dem riesigen Makel, der ihrem fürsorglichen Onkel anhaftet. Nick (Josh Hutcherson), der stellvertretend für den Zuschauer Escobar aus nächster Nähe erlebt, lässt als handelnde Figur leider individuelle Charakterzüge vermissen. Die Liebesgeschichte bleibt blass, den Szenen fehlt die Leidenschaft, die erklärt, wieso Nick und Maria versuchen das Folgende gemeinsam durchzustehen. Erst in der actiongeladenen zweiten Hälfte scheint Hutcherson in seinem Element zu sein.

Gegliedert ist der Film in einzelne Sequenzen, die nicht immer der Zeitachse folgen und eine gute Dynamik erzeugen. Farbfilter und Unschärfen stellen das kolumbianische Klima gekonnt dar. Die Handkamera aus der Perspektive der Figuren unterstreicht dramatische Szenen. Abwechslungsreiche Kameraeinstellungen runden den Film technisch ab.

Escobsar – Paradise Lost versucht keine akribische Dokumentation zu sein, sondern eine Geschichte zu erzählen, die zugleich einen außergewöhnlichen Menschen beleuchtet und gut unterhält. Mit kleinen Abstrichen gelingt dies sehr gut.

(Tobias Schudok)

Filmographie

Andrea di Stefano
Escobar – Paradise Lost

Frankreich, Spanien, Belgien, Panama 2014
114 Minuten
Kinostart: 9. Juli 2015
Im Verleih von Alamodefilm