Ava Cooper: Der Schicksalspreis: Erkenntnis
Als Autor von Büchern, Stories und Rezensionen, die sich zumeist an eine erwachsene Leserschaft richten, hielt ich mit „Schicksalspreis“ nach langer Zeit wieder ein Jugendbuch in der Hand. Würde es meinem Anspruch an Plot, Schreibstil und Spannung genügen? Die Antwort ist ein klares Ja, denn eine neugierig machende Handlung mit sich steigernder Spannung, ein interessantes, gut durchdachtes Setting, dreidimensionale Figuren und ein lebendiger Schreibstil belohnten mich fürs Lesen. Persönlich mag ich der aus dem Schmetterlingseffekt abgeleiteten These nicht zustimmen, dass unser aller Schicksal vorherbestimmt sei und daher einer zentralen Kontrolle unterliegen solle. Dennoch hat mich fasziniert, wie Cooper darauf aufbauend ihre Figuren immer weiter in ein Netz von Intrigen verstrickt, in dem die „ganz oben“ ihre Finger im Spiel zu haben scheinen.
<h3>Inhalt ohne Spoiler
Im 22. Jahrhundert führen die Teenager Lina, Anna, Emily und Chiara ein sorgenfreies, wenn auch von Leistungsdruck belastetes Leben. Brutal bringt eine Bluttat die Harmonie ins Wanken. Kann Linas Vater, der Leiter der Schicksalspolizei, das Komplott aufdecken, mit dem eine Gruppe von Abweichlern sich dem System der Bevormundung aller Menschen durch die Bestimmungsbehörde auch mit Mord entgegenstellt? Lina bezweifelt, dass der „Determinator“ den Tod ihrer besten Freundin vorherbestimmt hat. Doch wem kann sie trauen, wenn sie ihren Verdacht beweisen will?
Schreibstil
Cooper pflegt eine jugendgerechte Sprache. Die ist nicht gleichzusetzen mit der „einfachen“ oder „leichten“ Sprache, die seh- oder leseschwachen Menschen den barrierefreien Zugang auch zur Literatur sichern soll. Die Lebendigkeit des Schreibstils wird verstärkt durch eine Erzählung aus der Ich-Perspektive in der Gegenwart. Kurze Sätze in der Umgangssprache Jugendlicher und lebendige Dialoge zeichnen den Text aus, in dem auch die Gedanken, Hoffnungen und Ängste Linas nicht zu kurz kommen.
Mich hat beeindruckt, dass die wörtliche Rede mit wenigen Inquits wie „er sagte“ oder „sie entgegnete“ auskommt. Positiv überrascht auch die Schilderung von Linas Charakterentwicklung, die so genannte innere Heldenreise, einschließlich einer altersgemäßen Romanze. Alles, auch Gebäude und Stadtteile, schildert Cooper detailliert und liebevoll und zieht den Leser hinein in die futuristische Welt von „Schicksalspreis“ – ein gelungenes „Show, don’t tell!“ An wenigen Stellen vereinfacht die Autorin die Entscheidungsfindung und den Handlungsverlauf, die mir dadurch weniger realistisch scheinen. Die interessante Grundidee und der konsequent aufgebaute Plot tragen aber zum rundum gelungenen Leseerlebnis bei
Ich hatte ein ungetrübtes Lesevergnügen mit Assoziationen an Orwells „1984“. Man merkt dem Buch an, dass Ava Cooper eine geübte Autorin und in Fantasy und Science Fiction zu Hause ist.
Ein Kinderbuch ist „Schicksalspreis“ auf Grund der Bluttaten und mancher kompliziert oder wissenschaftlich klingenden Erklärung nicht. Die stimmige Ausrichtung auf die jugendliche Zielgruppe sehe ich an ein paar Stellen durch eine für mich zu naive Handlungsweise nicht nur der jüngeren Figuren etwas übertrieben.
Das sollte aber – auch erwachsene – Leserinnen und Leser nicht davon abhalten, sich in Coopers futuristische Welt entführen zu lassen, wenn ihnen nach leichter und dennoch spannender Lektüre der Sinn steht. Für jugendliche Science-Fiction-Fans bildet das Buch wegen seiner ernsthaften Auseinandersetzung mit den Umweltsünden und sozialen Problemen nebenbei einen willkommenen Denkanstoß in Richtung moralischer Werte und Verantwortung. Darüber hinaus erweitert die Konfrontation mit der Zukunftstechnologie das Interesse am heute noch unmöglich Scheinenden und den sich daraus ergebenden ethischen Problemen.
Michael Kothe
Bibliografie:
Der Schicksalspreis: Erkenntnis
Ava Cooper
Weltenbaum Verlag; 1. Edition (6. März 2025)
Broschiert : 560 Seiten
ISBN-13 : 978-3949640919