Hortus conclusus oder Der alte Mann und das Meer

Djaimilia Pereira de Almeida: Im Auge der Pflanzen

Die Autorin dieses Büchleins, die in Angola geborene Portugiesin Djaimilia Pereira de Almeida, ist im deutschsprachigen Raum fast unbekannt. Das ändert nun der Schweizer Unionsverlag mit der Publizierung ihres kleinen Romans „Im Auge der Pflanzen“.

Der Garten und seine pflanzlichen Bewohner als Metapher für das chthonische Leben wird hier zu einer poetischen Orgie. Die üppig wuchernde und duftende Natur strömt aus allen Seiten des schmalen Büchleins und verbindet sich wie Schlingpflanzen mit der Lebensgeschichte von Celestino. Dem alten Kapitän, der in seinen Geburtsort zurückkehrt. Dem alten Korsaren, der fast sein ganzes Leben auf dem Meer verbrachte, dem Auf und Ab der Wellen hingegeben, den Winden und Stürmen trotzend. Und der sich schuldig machte. Der Menschen töten ließ und selbst tötete, der gnadenlos in den afrikanischen Dörfern wütete. Warum? Auf Befehl? Aus Lust an der Vernichtung? Als „weißer alter Mann“ sich berufen fühlend, den „Negern“ zu zeigen, wer Herr im Land, wer Herr ihres Schicksals sei?

Seine Geschichte beantwortet genau diese Fragen nicht. Aber sie sind gewiss der Hintergrund für all diese Taten, die von ihm und Tausend anderen begangen worden sind. Überlegenheit, Überheblichkeit, ein fast göttliches Gefühl.
Seine Geschichte mäandert zwischen seiner gärtnerischen Schöpfung und seinen gespenstischen Erinnerungen hin und her. Die Pflanzen in ihrer lebensprallen Farbigkeit werden ihm zu Freunden, verdrängen die Heimsuchungen in seinem Inneren und so lebt er einige Jahre in Frieden, ein einsames geruhsames zurückgezogenes Leben.

Im Ort brodelt die Gerüchteküche, da werden die Vorurteile gedämpft, Gespenster- und Aberglauben gluckern und der Teufel wird zum Satansbraten. Und die mutig Neugierigen, die durch die Hecken lugen, erschauern, sehen ihn mit der Vogelscheuche tanzen, ahnen fast neidisch ein Leben, das sie nicht gelebt haben.
Die Schatten der Vergangenheit holen Celestino ein, manifestieren sich als Dämonen, die Sklaven, die er in de Ladeluke mit Löschkalk überstäuben ließ. Die Schatten sind präsent in der kleinen Holländerin, die er mit verbundenen Augen, an einen Baum gefesselt, dem Dschungel überließ, in der Schwarzen, die er im Ozean versinken ließ. Sie lassen ihn den nahenden Tod ahnen.

Seine innere Uhr verlangsamt sich, wie eine Sanduhr tröpfelt sein Leben. Er begräbt seine weißen Barthaare unter dem Zitronenbaum. Der Verstand verabschiedet sich sacht, er kann seine eigene Schrift nicht mehr entziffern und er kann nicht mehr sprechen, er wandelt somnambul durch seinen Garten.
Sein letzter Wunsch wäre gewesen, in ein Beet zu fallen, von seinen geliebten Blumen umkränzt, vom Regen begossen, vom Wind umbrandet, Hände und Beine wurzelschlagend, er wäre einer der ihren geworden.

Es ist die Ironie seines Lebens, dass er nicht im Wasserbett des Ozeans stirbt, sondern dass die Schwerkraft der Erde ihn heimholt.

Pereira de Almeida ist eine wunderbare Allegorie gelungen, verzaubernd, eine Allegorie vom prallen blühenden Leben und dem Tod, dem gewaltsamen wie auch dem friedlichen, dem „Es ist Zeit. Ich bin einverstanden“-Tod.

Sie schreibt in einer blühenden, fantasievollen Sprache „die Nelken würden sich mit den Geranien vermählen, die Kamelien die Blattläuse ehelichen, die Tomaten die Käfer heiraten“. Und sie setzt ein Denkmal: dem Garten, der zum Sinnbild des Lebens wird und den Pflanzen. Dem Tod als ein gleichmachendes Ende für alle Wesen auf dieser Welt. Den einen ist seine Präsenz bewusst und sie erwarten ihn, die anderen fürchten ihn, die anderen wissen nichts von ihm und verlöschen.

Ich kann nur sagen und schreiben: dieses kleine Juwel lesen, lesen, lesen.
Sich verzaubern lassen

(Almut Scheller-Mahmoud)

augeBibliographie:

Djaimilia Pereira de Almeida
Im Auge der Pflanzen
Hardcover, 124 Seiten
2022, 1. Auflage
Unionsverlag
ISBN: 978-3-293-00581-5