Ein Lexikon der üblen Burschen

9783442716036Seien es Darth Vader und seine Epigonen, Dr. No, Moriarty, Lex Luthor oder Hannibal Lecter – die Bösewichte sind häufig ebenso faszinierend wie die Helden, die sie bekämpfen, manchmal sogar noch mehr. Schließlich haben sie einen viel größeren Spielraum, als die biederen Saubermänner. „Das Buch der Schurken“ von Martin Thomas Pesl verspricht also unterhaltsame Lektüre und verfolgt dabei ein recht originelles Konzept.

Aufgebaut ist dieses Buch wie ein Lexikon, in verschiedene Kategorien unterteilt, etwa „die Gierigen“, „die Rachsüchtigen“ oder „die Egoschweine“ listet Pesl 100 unterschiedliche literarische Halunken auf. Jede Figur wird mit einer Illustration von Kristof Kepler, einem Zitat und dem Titel des entsprechenden Romans vorgestellt, dann beleuchtet der Autor die Figur, seine Rolle im Werk und in der Literatur auf unterhaltsame Weise. Zuletzt bekommt jeder einen kleinen Steckbrief, mit Daten wie: Herkunft, Stärke, Schwäche, Hobbys, Erzfeind, Anzahl der Opfer oder Beliebtheit auf einer Skala von Null bis Fünf. Die Kategorien sind dabei für jede Figur andere, und dienen mehr als amüsantes Detail und weniger der Vergleichbarkeit.

Die Auswahl der Lexikoneinträge hat Pesl einerseits rein subjektiv vorgenommen, andererseits hat er ein besonderes Augenmerk auf Schurken aus Klassikern unterschiedlichster Epochen gelegt.

Das Ergebnis sind unterhaltsame kurze Betrachtungen zu einzelnen Figuren und dem literarischen Schurkentum im Allgemeinen. Zugleich wird mal mehr mal weniger in Andeutungen auch auf den Inhalt des zugrunde liegenden Romans eingegangen. Die wichtigste Aufgabe dieses Buches liegt sicherlich darin auf sehr ungezwungene und unsystematische Weise Lust auf Literatur zu machen und Interesse an so manchem Klassiker zu wecken.

Als kleine Auswahl aus den 100 behandelten Figuren seien genannt: Grendel aus dem Beowulf-Epos, Uriah Heep aus David Copperfield von Charles Dickens, Holländer Michel aus Das kalte Herz von Wilhelm Hauff, das Schwein Napoleon aus Farm der Tiere von George Orwell, Annie Wilkes aus Sie von Stephen King, Baron Harkonnen aus Frank Herberts Dune, der Bandwurm aus Drecksau von Irvine Welsh.

Ein Manko haftet diesem Buch aber dennoch an: Immer wieder wird kräftig gespoilert, das liegt aber auch in der Natur der Sache, denn wie soll man erklären, was eine Figur zum Superschurken macht, ohne seine Schandtaten zu erwähnen, und die fungieren innerhalb einer Geschichte nun mal häufig als Pointe.

Ein originelles und anregendes Geschenk für Literaturfreunde, denen nicht vor Spoilern graut.

Tobias Schudok

Bibliographie:

Martin Thomas Pesl
Das Buch der Schurken
BTB
Taschenbuch, 250 Seiten, 12,00 € [D] ISBN 978-3-442-71603-6

Der Autor:

Martin Thomas Pesl ist Autor, Lektor, diplomierter Übersetzer (englisch, ungarisch) und Sprecher. Er schreibt u. a. für das Magazin WIENER und Nachtkritik.de.