Colette: Vom Glück des Umziehens

Colettes Romane – die Serie der Claudines, Cherie, La Vagabonde, Gigi – prägten eine Frauengeneration, auch hier in Deutschland. Bei wem sonst konnte man von der Liebesbeziehung einer älteren Frau mit einem jüngeren Mann lesen…..

Colette war der modernen Zeit um einige Schritte voraus. Sie war Varietékünstlerin, sie schrieb, sie war dreimal verheiratet, sie war Mutter, sie hatte lesbische Beziehungen.

Und sie war eine Nomadin, nicht immer freiwillig

Aber doch immer voller Hoffnung, ihr ganz persönliches Refugium zu finden. Was ist eine Wohnung: ein Nest, eine Schale, eine Hülle? Sie erzählt von ihren Umzügen, quer durch Paris, aber sie war keine der sogenannten Digitalen Nomaden: ihre Verbundenheit zu dem jeweiligen Wohnsitz, zu den Nachbarn, zu ihrer Umwelt sind spürbar, z. B. wenn sie von dem in einer Regenrinne badenden Laubfrosch berichtet, von blühenden Kastanienbäumen, dem Duft der Trompetenbäume und des Flieders und dem Aroma des Herbstlaubes, von den Meisen und Hausrotschwänzen im Garten, dem Geräusch der Pferdegespanne, dem Preis der Austern von 9 Sous fürs Dutzend, den Pokerrunden in einer nah gelegenen Pension, die um 5 Uhr nachmittags begannen, bis morgens um 8 Uhr eine Zwiebelsuppe für Unterbrechung sorgte und der Whisky um 11 Uhr den Abschluss bildete – bis zum Abend…

Im Hotel Claridge lebte sie vier Jahre lang ein stilles Leben unter dem Dach

Hier begegnete sie im Fahrstuhl indischen Fürsten mit ihrem Gefolge, einem marokkanischen Pascha, dem baskischen Zimmermädchen, das 22 Betten in ihrer Schicht beziehen musste. Es drangen der Geruch vom 5 Uhr-Nachmittags-Whisky und Opiumschwaden durch die Zimmertüren. Hier wäre sie gern geblieben, aber ihre letzte Station war die lang ersehnte Beletage des Palais Royal, das wie ein Dorf in der Stadt war. Hier verstarb sie im Jahre 1954.

Sie erwähnt ihre Katze und ihre Bulldogge als Lebensbegleiter, ihre Ehemänner und ihre Tochter jedoch nur kurz. Als ob diese nicht zu ihrem Leben gehörten. Für Colette war jeder Umzug, jedes Ankommen das Aufschlagen eines neuen Lebenskapitels.

Das schien früher leichter und unkomplizierter. Wer könnte sich heute den Luxus so vieler Tapetenwechsel leisten? Wo es schon schwierig ist, überhaupt eine Wohnung zu finden, die räumlich und monetär zur eigenen Lebenssituation passt?

Dieses kleine Büchlein ist ein Muss für Paris-Liebhaber, die sich mit einem alten Stadtplan oder Google Maps auf Spurensuche nach derm Paris der Vergangenheit machen wollen.
Es reflektiert die Freude am Leben und am Neubeginn, dem „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“

„Schwalben wissen nicht, dass sie im Herbst weiterziehen. Alles hält mich hier fest, weshalb aber sollte ich die Königin unter den Zugvögeln an Klugheit übertreffen.“

Almut Scheller-Mahmoud

umziehenBibliografie:

Colette
Vom Glück des Umziehens
Aus dem Französischen und mit einem Nachwort von Ina Kronenberger
Hardcover
128 Seiten
ISBN-13: 978-3-293-00628-7
ISBN-10: 3-293-00628-0
€ 20.00, FR 27.00, € [A] 20.60
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