Von der Suche nach Schutz, Freiheit und Würde

Das Schicksal der Sterne von Daniel Höra_CoverFlucht und Vertreibung haben eine jahrtausendealte Tradition. Moses musste mit dem Volk Israel vor den Soldaten des Pharao flüchten, Maria und Joseph mit ihrem Neugeborenem vor den Schlächtern des Herodes und die Germanenvölker mussten sich vor den Hunnen Attilas in Sicherheit bringen.

Eigentlich ist immer jemand auf der Flucht. Nach dem zweiten Weltkrieg traf es viele Millionen Deutsche, die unter größten Gefahren und Entbehrungen ihre alte Heimat verlassen mussten, um in die Besatzungszonen zu flüchten. Kaum jemand mag sich vorstellen, welches Leid etliche von jenen auf sich nehmen müssen, die auf der Flucht vor Unterdrückung, Misshandlung und Tod zu uns kommen. Und ebenso wenige möchten wissen, unter welch unwürdigen Zuständen viele Asylsuchende hierzulande dahinvegetieren müssen.

Diesen Themen widmet sich Daniel Höra in seinem neuen Jungendroman „Das Schicksal der Sterne“. Er erzählt die Geschichte von Karl und Adib, die sich in Berlin begegnen. Während der eine vor 70 Jahren mit Mutter und Schwester aus seiner schlesischen Heimat floh, kommt der andere aus dem weit entfernten Afghanistan in die Hauptstadt. Zwar trennen beide Alter und Sozialisation voneinander. Doch die Erfahrung von Verlust, Angst und Verfolgung sowie die gemeinsame Begeisterung für die Sterne bilden ein viel stärkeres Band.

Höra hat gut recherchiert. Augenzeugenberichte von Flüchtlingen aus beiden Kulturkreisen bilden die Basis für seinen Roman. Entsprechend ist der Aufbau des Buchs. In die Rahmenhandlung integriert er die Erinnerungen der beiden Hauptfiguren. Die körperlichen und geistigen Strapazen, die Karl und Adib jeweils zu zerbrechen drohen, deuten sich in diesen Gedanken an. Beide geben sich nicht auf. Um zu überleben, müssen sie Unglaubliches ertragen und sich in Hochgeschwindigkeit entwickeln. Gleichzeitig haben beide in der Gegenwart zu kämpfen. Der eine mit verschiedenen Altersgebrechen, der andere mit den Behörden um die Anerkennung als Asylant.

Wie nahe sich die Flüchtlingsschicksale des alten und jungen Mannes sind, zeigen die vielen Parallelen, die Höra an vielen Stellen eingebaut hat. Da ist die Sorge und allzu frühe Verantwortung für Mutter und Geschwister auf der Flucht, die schwierige Beschaffung der Lebensmittel, aber auch die Romanzen von Karl und Emmi vor 70 Jahren und Adib und Marie heute. Beide Protagonisten sehen sich immer wieder der Ablehnung, den Vorurteilen und der Diskriminierung ihrer Zeitgenossen ausgesetzt. Zwischen all dem Schrecklichen erfahren sie auch Hilfe, Mitleid und menschlicher Solidarität. Dabei lässt Höra seine Leser erleben wie sich etwa die Haltung einiger Protagonisten von purer Ablehnung über das wachsende Verständnis zur Mitmenschlichkeit bis hin zur Freundschaft wandelt. Dabei entwickelt er wunderbare Charaktere wie den Hausmeister Rainer und die Nachbarin Mildred.

Mit „Das Schicksal der Sterne“ ist Höra genau zur richtigen Zeit ein packender Jungendroman rund um Flucht und Vertreibung gelungen. Er ist ein Plädoyer für Würde, Solidarität und Offenheit; drei Dinge, die gesellschaftlich gerade etwas rar erscheinen, die wir dennoch dringend im Überfluss brauchen.

Bibliographie

Das Schicksal der Sterne
Daniel Höra

Bloomoon, ars edition
Hardcover, 256 Seiten

ISBN 978-3-8458-0758-4

Über den Autor

Daniel Höra, geboren in Hannover, ist in einer Hochhaussiedlung am Stadtrand aufgewachsen. Er sammelte in seiner Jugend selbst Erfahrungen mit Polizei und Justiz. Nach der Schule arbeitete er am Fließband, war Möbelträger, Altenpfleger, Taxifahrer und TV-Redakteur. Heute lebt er als freier Schriftsteller in Berlin. Bei bloomoon sind von ihm außerdem die Jugendbücher „Das Ender der Welt“, „Gedisst“ und „Braune Erde“ erschienen.