Auf der richtigen Seite

Das Richtige tun und das Böse bekämpfen. Wer mit Überzeugung auf der richtigen Seite steht, der kann nicht irren. Wer bewährte Vorurteile behält, fühlt sich mit den passenden Feindbildern im Kopf richtig gut. Dagegen erscheint die Realität vielschichtiger und erheblich komplizierter. Vorurteile, Zonen, Mauern, Feinbilder und Hass sind wesentliche Elemente in William Sutcliffes neuem Buch. Auch wenn dessen Orte viele Analogien zu den besetzten Zonen in der Westbank aufweisen, geht es Sutcliffe letztlich um nichts weniger, als die größte Mauer nieder zu reißen: die Mauer in den Köpfen der Menschen.

Joshua liebt seine Mutter und hasst seinen gewalttätigen Stiefvater. Die Familie wohnt in einem Reihenhaus, in der künstlichen Siedlung Amaris. Eine Mauer trennt sie von den „bösen Feinden“, welche die Siedler töten wollen. Mehr Details erfährt Joshua nicht. Als er einen Tunnel entdeckt, der ihn auf die andere Seite führt, lernt er dort Leila kennen. Sie rettet ihn vor seinen wütenden Verfolgern. Joshua merkt schnell, dass es auf der anderen Seite ebenso gute, wie schlechte Menschen gibt. Er beginnt zu verstehen. Von da an wehrt er sich, mit aller Kraft, gegen Vorurteile und Ungerechtigkeit.

Sutcliffe erzählt die Geschichte aus der Perspektive des 13-jährigen Joshua. Dieser fühlt sich unwohl mit seinem Stiefvater, der sich zwischen ihn und seine Mutter gedrängt hat und der diesen Kampf gegen die Bösen auf der anderen Seite so heftig verteidigt. In diesem Kampf fiel einst Joshuas leiblicher und liebevoller Vater. Joshua vermisst seinen Vater und er vermisst seine Mutter, wie sie früher war. Jetzt hat sie sich ganz auf die Seite des Stiefvaters gestellt. Die Argumente des Jungen und seine Bitten helfen nicht. Er beginnt sich zu wehren. Schließlich entscheidet sich Joshua für die Menschlichkeit. Er hilft den angeblichen Feinden, als Dank dafür, dass sie ihm geholfen haben.

Die spannende Geschichte, in einer guten Übersetzung, lässt den Leser nicht mehr los. Sie stimmt nachdenklich und traurig. Bedrückend sind einige brutale Szenen, zum Beispiel zwischen Joshua und seinem Stiefvater.

„… Er zieht mich zu sich und schubst mich dann gegen die Wand, sodass mein Kopf erneut dagegenkracht. `Wo ist dieser Tunnel?´ Ich fühle den salzigen Geschmack von Blut, das sich in meinem Mund sammelt. …“

Die Realität übertrifft das Ganze bei Weitem. Wenn Menschen ihr Recht und ihre Gebiete mit Gewalt und Waffen verteidigen, fließt Blut. Im Krieg hungern Menschen, sie erkranken und sterben. All das geschieht im Namen von Gerechtigkeit und im Einklang mit dem „richtigen“ Glauben.

Sutcliffes Buch würden vielleicht nur wenige Jugendliche von sich aus aussuchen. Aber es macht Mut, sich gegen Ungerechtigkeit aufzulehnen. Joshua lebt Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit. Er begreift und versteht nach und nach. Joshua erfährt die Ungerechtigkeit und die schönen Dinge am eigenen Leib. Seine Taten wirken authentisch, ohne moralischen Zeigefinger.

Der Leser lebt und leidet mit. Sutcliffes Geschichte hilft Jugendlichen den derzeitigen Nahostkonflikt besser zu verstehen. Sie eignet sich gut als Hintergrunderzählung für den Unterricht.

Anja Lusch

Bibliographie

William Sutcliffe

Auf der richtigen Seite (Originaltitel: The Wall)
Ab 12 Jahren, 352 Seiten
Verlag: rororo; Auflage: 3 (1. September 2014)

Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-644-52501-6

Über den AutorAF_Sutcliffe_William_002_web.jpg.745612

William Sutcliffe

1972 in London geboren, ist Autor zahlreicher Romane, darunter der internationale Bestseller „Meine Freundin, der Guru und ich“. Seine Bücher wurden in über zwanzig Sprachen übersetzt. „Auf der richtigen Seite“ ist sein erstes Jugendbuch. Sutcliffe lebt mit seiner Familie in Edinburgh.