Schuld Cover_Grit PoppeNun ist es gerade mal ein Vierteljahrhundert her, dass Menschen die Mauer durchbrachen, die zwei deutsche Staaten voneinander trennte. Kurze Zeit später gab es die sogenannte DDR mit ihrem Staatsapparat schon nicht mehr. Eines der dunkelsten Elemente der DDR-Geschichte ist das Bespitzeln der eigenen Bürger mittels der Staatssicherheit und deren Inoffiziellen Mitarbeitern (IM).

Genau dieses Thema verarbeitet Grit Poppe in ihrem neuen Roman „Schuld“. Sie schildert die Geschichte zweier Jugendlicher in Ostberlin zur Zeit der Wende. Jana ist die „Bonzentochter“, die mit ihren systemkonformen und erfolgreichen Eltern nach Berlin in ein schickes Häuschen zieht. Die Eltern ihres Schulkameraden Jakob stehen dagegen am Rand der Gesellschaft. Sie haben einen Ausreiseantrag in den Westen gestellt und müssen deshalb mit den wachsenden Repressalien des Systems klar kommen. Klar, dass Jakob rebelliert.

Kein Wunder also, dass Janas linientreue Eltern ihr bald den Umgang mit Jakob verbieten. Doch Jana und Jakob stehen zueinander und verlieben sich. Bald schon erfahren beide die hässliche Kehrseite eines Systems am eigenen Leib, das ursprünglich doch mal angetreten war, die Welt gerechter zu machen.

Poppe erzählt die Geschichte jeweils aus der betroffenen Perspektive der beiden Jugendlichen. Auf diese Weise gelingt es ihr, ihr Publikum hautnah in das Geschehen einzubinden und eine hohe Identifikation mit ihren beiden Hauptfiguren zu schaffen. Liebe, Freude, Leid, Schmerz und Schuld – eine Welle der Gefühle reißt den Leser mit.

Gleichzeitig hat Poppe ganze Arbeit geleistet. Alles ist bestens recherchiert. Ihre Charaktere wirken echt. Weitgehend schonungslos und in vielen Teilen detailgetreu schildert sie die Mechanismen der DDR-Justiz, das Bespitzelungssystem und den Strafvollzug für Jugendliche.

So ist ein bedrückendes Porträt der düsteren Seite der beiden letzten Jahre des DDR-Systems entstanden.  Emotional, packend und erschütternd mit dem sicheren Hinweis darauf, dass die Geschehnisse jener Zeit bis heute nachwirken und noch längst nicht vollständig aufgeklärt und somit nicht aufgearbeitet sind. Gleichzeitig ist Poppes Buch ein klares und drängendes Plädoyer für grundlegende Werte der Demokratie und der Menschlichkeit. Freiheit, Würde und Gerechtigkeit stehen dabei an erster Stelle. Die Grundlagen des selbstbestimmten Lebens, die leider von jenen, die sie genießen dürfen, oftmals nur wenig geachtet sind.

Ein spannendes Buch, das einen wichtigen Beitrag zum Verständnis und zur Verarbeitung der jüngsten Geschichte leistet; das uns mahnt, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Sehr gut, dass der Verlag  Unterrichtsmaterialien zum kostenlosen Download auf vgo-schule.de zur Verfügung stellt.

Über die Autorin:Grit Poppe

Grit Poppe, 1964 in Boltenhagen an der Ostsee geboren, studierte am Literaturinstitut in Leipzig. Von 1989 bis 1992 engagierte sie sich in der Bürgerbewegung „Demokratie Jetzt“. Heute schreibt sie Bücher für Kinder und Jugendliche. Für ihren ersten Jugendroman „Weggesperrt“, der 2009 im Dressler Verlag erschien, wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem „Gustav-Heinemann-Friedenspreis für Kinder- und Jugendliteratur“. Grit Poppe lebt mit ihrer Familie in Potsdam.