Mit dem Verlust leben lernen

Einen geliebten Menschen zu verlieren, ist niemals leicht. Ganz besonders, wenn keine Zeit bleibt, sich zu verabschieden. Der plötzliche Tod eines Familienangehörigen zieht eine schmerzvolle Zeit der Verarbeitung nach sich. Jeder Mensch reagiert dabei anders und muss seine eigene Form der Trauerarbeit finden.

Joachim Triers kunstvoller Film „Louder than Bombs“ beobachtet einen Witwer und seine beiden Söhne beim Trauern um ihre Ehefrau und Mutter.

Er legt dabei auch falsche Fährten und lässt den Charakteren Raum zur Entwicklung: Während der junge Conrad (Devin Druid) zunächst schwächlich und depressiv erscheint, zeigt sich später, dass trotz seiner jugendlichen Melancholie ein selbstbewusster lebensbejahender Mensch in ihm schlummert. Jonah (Jesse Eisenberg) dagegen, der gerade seine eigene Familie gründet und zunächst mit beiden Beinen im Leben zu stehen scheint, verliert völlig den Boden unter den Füßen. Der Vater Gene (Gabriel Byrne) flüchtet sich in eine neue Liebe und verliert seine Söhne dabei aus dem Blick. Durch die Augen aller drei lernt der Betrachter auch Isabelle (Isabelle Huppert) kennen: eine starke, ambitionierte Frau, deren Beruf – die journalistische Kriegsberichterstattung – sie zeichnete.

Einerseits waren ihre Einsätze Abenteuer, die sie zu ihrem Glück zu brauchen glaubte, andererseits bedeuteten sie eine große moralische Last und führten zur Entfremdung von ihrer Familie.

In weiten Teilen ist „Louder Than Bombs“ sehr ruhig und melancholisch. Einzelne Gesprächsszenen tragen die Handlung, ergänzt von Rückblenden und stimmungsvollen Standbildern. Die Spannungskurve bleibt dadurch gewollt flach, der Film steuert auf keinen Höhepunkt zu. Jede Szene ist so wichtig wie jede andere. Sehr langsam rücken die drei Hinterbliebenen und die Verstorbene so immer näher an den Betrachter heran.

Auf diese Stimmung muss sich der Zuschauer erst einmal einlassen. Dann aber belohnt ihn der Film mit einer vielschichtigen und detailreichen Studie menschlicher Handlungsweisen und Emotionen, die noch lange nachklingt.
Liebe, Treue, Fürsorge, Zukunftsangst, Trauer, Mut, Einsamkeit, das Bedürfnis nach Austausch und die Unfähigkeit zu sprechen, Moral, Hoffnung und Hoffnungslosigkeit … so komplex, wie unsere Gefühle in Wirklichkeit sein können, bereitet sie auch „Louder Than Bombs“ auf. Dabei bedient sich Joachim Trier einer großen Vielfalt an erzählerischen und filmischen Techniken und dem ausdrucksvollen Charakterspiel vor allem Devin Druids und Jesse Eisenbergs. Ein Film für einen langen, kalten, regnerischen Herbstabend, an dem die Gedanken ziellos schweifen möchten.

Ein Film von Joachim Trier
Louder Than Bombs

Dänemark, Frankreich, Norwegen, USA 2015
108 Min.

Deutscher Kinostart: 31. Dezember 2015
Im Verleih von MFA+ Film Distribution