Eine außergewöhnliche Story mit Sogwirkung – rau und direkt

Anna Basener: Die juten Sitten – Kaiserwetter in der Gosse

Vom Fabrikmädchen zur Dirne, um der Armut zu entkommen? Raus aus der Gosse, ran an die Edelmänner, heißt es für die zielstrebige Minna. Sie ist so stark und selbstbewusst, ein richtiger Girl Boss und schlittert nahezu in eine Orgie im Jagdschloss Grunewald.

Die Autorin schafft es auf zauberhafte Weise die LeserInnen, mit der mutigen und turbulenten Story der Hauptprotagonistin Minna, in ihren Bann zu ziehen. Ein fantastischer Schreibstil, der auf Anhieb überzeugt. Minna mit ihrem vulgären Berliner Dialekt begeistert.

Anna Basener schreibt sehr rau und authentisch, Dabei verwendet sie viele Bilder und grandiose Vergleiche. Sie ist eine gute Beobachterin des Geschehens und gibt dieses auf sehr lebendige Weise wieder. Der Roman brilliert durch Präsenz, Facettenreichtum der Charaktere und bietet einen spannenden Einblick in die Situation in Berlin am Ende des 19. Jahrhunderts. Dieses Buch ist sehr ehrlich. Es entwickelt einen regelrechten Sog.

Dennoch fehlt für eine brillierende Bewertung eine Prise Warmherzigkeit. Und es hätte es gern mehr verruchte und sexy Einblicke sowie Tiefgründigkeit in die Arbeit der Damen geben können, aber auch in die nicht ganz so charmanten Männer. Das raue, derbe Berlin mitsamt der zerstörten Persönlichkeiten kommt etwas zu kurz.

Auch wer den ersten Band „Die juten Sitten – Goldene Zwanziger. Dreckige Wahrheiten“ nicht gelesen hat, kommt gut mit der Story zurecht. Insgesamt ein großartiges Lesevergnügen.

(Olivia Grove)

sittenBibliografie:

Anna Basener
Die juten Sitten – Kaiserwetter in der Gosse
Taschenbuch, 336 Seiten
ISBN: 978-3-442-49099-8
12,00 Euro